Sag nur ein Wort und ich schreibe dir eine Welt...
Sonntag, 9. November 2014
Innenstadtfenster
Wie so oft hat es die Nacht nicht geschafft, mich festzuhalten und so beschließe ich, meine unfreiwillige Freiheit zu nutzen und schäle mich aus den Decken. Scheue, nackte Füße berühren den Boden, ich kehre auf halbem Weg zum Fenster um, plötzlich entschlossen, die Decken doch nicht zu verlassen.
Zehn unruhige Minuten später sitze ich, zur minimalen Masse zusammengedrängt auf der Fensterbank, die Decke um meine Schultern geschlungen. Trotz der Kälte habe ich die Glaswand zwischen mir und der Welt nicht ausgehalten und den Riegel geöffnet, jetzt versuche ich mir einzureden, der Wind mache mich lebendiger. Fünf Stockwerke unter mir flackert eine einsame Straßenlaterne und wirft unruhige Schatten zwischen die Baustellenzäune. Es ist kurz nach Zwölf, zu spät für die Studenten, die zwanghaft versuchen, verboten zu sein und zu früh für die wahren Gestalten der Nacht. Eine einsame Frau überquert die Betonbühne, in der Hand ein paar Stöckelschuhe, die Blasen an den Füßen unter einer von diesen Nylonstrumpfhosen verborgen, die nicht länger halten als die Träume, wegen derer sie getragen werden. Das verschmierte Make-up, das die Schatten unter ihren Augen betont, lässt sich von hier oben nicht erkennen, aber ich weiß, dass es da ist.
Ich lehne den Kopf an den Fensterrahmen, starre in den mattgrauen Stadthimmel. Man kann die Sterne nicht sehen, dafür aber die Schlieren eines verschwommenen Tages. Leise schließe ich die Augen.
Über den Dingen, einsam, verschließe ich mein Inneres sorgfältig und krabble dann wieder ins Bett.
Frisch wird die Luft nicht, nicht hier.
Ich finde mich mit dem flachen Atem der Oststadt ab.