Sonntag, 5. Mai 2013
Sturm im Herzen
Ich habe eine Seelenverwandte gefunden. Jemanden, der ist wie ich. Der den Sturm liebt, der um das Gesicht und die Haare braust. Der die Schönheit im prasselnden Regen sieht. Der versteht, was es heißt, im Unwetter zu stehen und es zu lieben, die Kraft zu spüren, zu spüren, wie dieser sehnsüchtige Teil aus dem Herzen gerissen wird und sich mit dem Sturm verbindet, die Augen zu schließen und zu spüren, alles zu spüren, zu wehen.

Wir haben beschlossen, beide einen Eintrag dazu zu schreiben. Aber da ich schon eine ganze Menge dazu geschrieben habe, dachte ich, ich trage es einfach mal zusammen und 'veröffentliche' es gemeinsam. Achtung, das könnte ziemlich lang werden...

Als allererstes kriegt ihr eine Kostprobe meines 'Debütromanes'. Er ist noch nicht ganz fertig und heißt passender Weise 'Regen'... Folgendes ist der Beginn des Buches, Seite eins...
Regen. Schon seit Wochen. Und dabei hätte es noch Sommer sein sollen. Schließlich war August. Da musste die Sonne scheinen! Doch der Regen hielt an; er hatte Ausdauer, ebenso wie die Journalisten, die nicht müde wurden, sich in aufrührerischen Schlagzeilen über ihn zu beklagen. „Eine zweite Sintflut?“, hieß es, oder „Ertrinken im ‚Sommer‘“. Alle waren sich einig: Das war eine Frechheit.
Die Einzige, die nichts dagegen hatte, war Merryande Elastelrin, die grade aus ihrer Haustür trat und ohne zu zögern ihr Gesicht in den vom lebhaften Wind aufgepeitschten Schauer hielt. Regen hatte ihr noch nie etwas ausgemacht, sie empfand ihn meistens als erfrischend, oder mindestens als nicht störend, aber Wind liebte sie. Für sie konnte es nichts Schöneres geben als mitten im Sturm zu stehen und sich umbrausen zu lassen. Jetzt gab es dazu allerdings wirklich keine Zeit, denn die Schule rief

Ungefähr zwei Seiten später, aus der Sicht einer anderen Figur...
Als Ellena vor die Haustür getreten war, war sie erst einmal zusammengezuckt und hatte versucht, sich unter ihrer Kapuze zu verstecken, aber jetzt begann sie zu rennen, zu hüpfen, zu lachen, die Nässe in ihrem Gesicht zu genießen. Die Regentropfen spritzten um ihre Schuhe, als sie in eine Pfütze trat, sie waren ebenso fröhlich wie sie, sprangen auch umher, ohne Sorgen, ohne Ängste, ohne Pflichten. Ein Fünftklässler, den sie überholte, sah ihr stirnrunzelnd nach. Er hatte seine Jacke fest zugezogen und hielt den Schulranzen über den Kopf, um nicht zu nass in der Schule anzukommen. Keine Chance – Ellenas fliegende Haarmähne ließ die Tropfen nur so sprühen. Ohne die Unmut des Jungen zu bemerken lief sie weiter, ein wenig außer Atem, aber ungebremst. Es scherte sie auch kein bisschen, als sie eine Minute später über den Hund eines alten Mannes stolperte und auf die Nase fiel. Sie ließ sich die Laune nicht verderben, als eine junge Mutter ihr hinterherschrie, sie solle gefälligst aufpassen und ihr kleines Kind nicht so erschrecken. Nein, das alles kümmerte sie nicht.

Noch ein ganzes Stück später. Hat jetzt nicht nur mit Gewitter zu tun, aber egal...
„Ich weiß nicht“, sagte er langsam, „ich glaube, ich würde gerne einmal in einer Wüste stehen, die Hitze spüren. An einer Klippe stehen, oben auf einem Berg, hinunterblicken in die Tiefe. Das Meer noch einmal sehen. In einem großen Wald auf einer Lichtung liegen und durch die Baumkronen in den Himmel sehen. Einen richtigen Sturm spüren und im warmen Sommerregen stehen. Eine Blume pflanzen. Und ich möchte mit dem Gedanken sterben, das Richtige getan zu haben. Verstehst du das?“

So, jetzt reicht es aus Regen.

Ein weiterer Text:
Sie stand da, ganz ruhig, auch wenn tief in ihrem Inneren etwas in winzige Stücke zerbrach. Hinter ihr, draußen, außerhalb der dicken Steinmauern, tobte das Gewitter weiter, Blitze warfen sich gegen das Gestein, Winde schlugen das Gebäude, als sehnten sie sich ebenso sehr nach ihrer Gegenwart wie sie selbst. Der Regen weinte Tropfen aus Trauer und Frische und ein einzelner davon rann über ihre Wange, ein schwaches Abbild, eine billige Kopie von etwas, das unerreichbar fern eine Handlänge entfernt.
Dann fiel die junge Frau auf die Knie, die feinen Gesichtszüge spiegelten all die Verzweiflung einer Verdurstenden.
"Bitte, Herr", flehte sie, "Seht ihr es denn nicht? Könnt ihr es denn nicht spüren? All die freiheitverheißende Kraft des Sturms? Könnt ihr es denn nicht verstehen? Könnt ihr denn nicht verstehen, dass ich hinausgehen MUSS? Das mich das Unwetter ruft, die Regentropfen mich zu sich fordern, mich rufen, mit ihnen zu spielen? Könnt ihr denn nicht hören, wie ihre fröhlichen Kinderstimmen nach mir verlangen? Wisst ihr denn nicht, dass meine Seele mit dem Sturm fliegen muss, sich mit ihm verbinden, die unendliche Freiheit erfahren, die er verspricht? Könnt ihr es denn nicht spüren, diese Sehnsucht im Herzen, dieser kleine Teil, der sich unbedingt mit der großen unendlichen Kraft und Einheit des Windes, wehen will, wehen mit dem Ganzen? Seid ihr denn gänzlich blind? Wie kann man so viel Schönheit übersehen und ignorant all die Gaben ignorieren, die sich hier so voller Übermut und frei offenbaren?
Bitte, bitte! Mein Herr, ich flehe euch an. Lasst mich frei sein, eine Stunde, wenn ihr nicht meinen Tod wünscht!"
Die grünen Augen waren aus Stahl. Gesichtslose Worte verließen seinen Mund.
"Sicherheit ist alles", lautete die kalte Antwort, "Die Gefahr ist zu groß, sperrt sie in ihr Zimmer."
Der Schrei schien ihn nicht zu kümmern.

Aus einem Text, den ich vor einer ganzen Weile geschrieben habe. Er ist irgendwo unten auf dem Blog...
Hier ein Ausschnitt:
Der Südwind strich ihr eine Strähne Haare aus den Augen und ließ sie flattern. Beinahe erschrocken registrierte sie, dass sie sich blau färbte, doch dann beruhigte sie sich mit dem Gedanken, dass der Regen sie verbergen würde und ihre schwachen Blicke auf etwas anderes richten, das mehr ihrem Fassungsvermögen entsprach. Mehr denn je spürte sie die Einsamkeit in ihrer Brust aufwallen, als umschließe sie ihr ganzes Herz mit einem Bogen aus Wasser, der sie an das erinnerte, was sie mit jedem Tag mehr verlor.
Salz. Salz, das der Wind mit sich trug und ihr in die Haare, die Augen und die Nase verstreute, den Geruch nach Heimat erzeugte, sie zurückließ, leer, einsam, weinend.
Eine Träne flog mit dem Wind in die Welt, fiel dann zu Boden und landete auf einer der roten Mohnblumen, die sie so liebte. Wie ein Tautropfen, dachte sie. Wie ein Tautropfen. Dann spülte der Regen ihn wieder mit sich und sie verlor ihn aus den Augen.



... comment


vergiss.mein.nicht am 29.Jul 13  |  Permalink
du schreibst schön :)) deine Art, dich aus zu drücken, gefällt mir gut ;)

ryan tedder am 29.Jul 13  |  Permalink
danke :D
Schreiben ist ein wichtiger Teil von meinem Leben...


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.