Freitag, 3. Oktober 2014
Selbstgespräch
Wie immer ist dieser ein ganz normaler Morgen. Ich stehe auf und möchte am liebsten wieder umkippen, klammere mich an der Bettkante fest und sehe aus dem Fenster auf das kleine Stück Himmel in der Häuserritze, das auch nicht weniger grau ist als der Beton. Meine Motivation hat sich schon lange verabschiedet und so laufe ich ohne sie los, fühle mich so nackt wie immer, aber es muss mir ja nicht peinlich sein, schließlich geht es allen so. Wie immer versuche ich die Melodie im Lärm der Stadt zu erkennen.

Wie immer fühlt sich die Straßenbahn klebrig an und das kleine dreijährige Kind neben mir ist noch zu jung um zu wissen, dass man den Sound bei Angry Birds auch ausstellen kann. Quietschend schleppt sich der altersschwache Wagon durch die Stadt und die schlechte Laune schwappt nach draußen, vermischt sich mit dem unentschlossenen Gerade-so-kein-Regen-Wetter. Vielleicht lächelt mich ja später ein Regentropfen an.

Während ich, wie immer, beim Aussteigen natürlich der alten Frau den Vortritt lasse und deshalb ihren Gehstock in den Fuß gerammt bekomme, schweift mein Blick unwillig zum großen Gebäude vor mir, dessen hässliches Grau von der Wolkendecke vorteilhaft betont wird. Wie jeden Tag beobachte ich mit leisen Gedanken wie die Glastüren Existenz nach Existenz verschlucken und wie die oberen Fenster wegen Magenkrämpfen stöhnen und ächzen.

Wie immer wird sich auch mein winziger Geist gleich mit den anderen in den Rachen der altersschwachen Räume hineinwürgen lassen und nach mir noch so viele andere, bis wir dann irgendwann wieder ausgekotzt werden. Dann wird es dunkel sein. Wie jeden Tag.

Wie immer stockt mein Blick an dem kleinen, schwächlichen Apfelbaum den irgendein Hoffnungstrunkener mal in das winzige Stück vertrocknete Erde gepflanzt hat, in dem unzählige Hunde täglich ihr Geschäft verrichten.

Wie immer ist er noch ein Stück schwächer geworden.

Eigentlich ist er kaum noch da.

Ich mache einen Schritt auf ihn zu und verziehe die Nase wegen des furchtbaren Gestanks.

Wie immer liegt er erschöpft auf der Erde, aber heute liegen seine Wurzeln neben ihm in der Hundescheiße.

Wer auch immer das getan hat, denke ich, ist noch verzweifelter als ich.

Und da drehe ich mich um und gehe einfach in die andere Richtung.

Eine ganze Weile ist Keuchen und Rennen, das mein überflutetes Gehirn tun kann, aber dann erschlägt mich der Moment und ich bleibe stehen.

Ich stehe allein in der Seelenverwüstung und sehe mir ins Gesicht.

„Komm schon“, sage ich, „Lass uns Wahrheit oder Pflicht spielen!“

„Los geht’s, mach mit, das machst du sicher nicht mit vielen
Und es macht Spaß. Du fängst an.“

„Gut“, antworte ich, „Wahrheit oder Pflicht?“
„Wahrheit.“ Lächelnd sehe ich mir ins Gesicht,

Was hab ich schon groß vor mir zu verbergen,
Mein Leben ist doch viel zu banal um zu zählen,
Meine Geschichten wird niemand aufschreiben,
Was nützt es mir, eine Meinung zu haben,
wenn sie doch ohnehin keinen kümmert,
Wieso sollte ich Wissenschaft suchen,
Wenn sie mir doch ohnehin nichts bringt?
Und da stehe ich, und weiß die Antwort nicht.

Während ich noch grüble kommt leise
mein Gewissen angeschlichen.
Damit es mir keinen Regelbruch vorwirft,
Gebe ich den Ball gleich ab und sage:

„Komm, lass uns Wahrheit oder Pflicht spielen,
das machst du sicher nicht mit vielen
Und vielleicht können wir sogar daraus lernen.“

Mach denselben Fehler nie zweimal:
Das Gewissen beginnt.
„Wahrheit oder Pflicht?“, frage ich
Und es antwortet: „Pflicht.“

Schweig!

Befehle ich, doch es meint:
„Das wäre doch unverantwortlich

Und sowieso, das bringt doch so nichts,
Lass uns das Herz rufen."

Und also gehe ich und hole das Herz aus seinem Käfig.

„Komm, lass uns Wahrheit oder Pflicht spielen,
das machst du sicher nicht mit vielen.“

„Wahrheit“, sagt das Herz und schweigt.

„Vermisst du die Freiheit?“

„Durchgehend“, sagt das Herz,

„Wirst du mich deshalb freilassen?“

„Nein“, sage ich. Mein Intellekt nickt eifrig.

Ich lächle ihm zu.

„Komm“, sage ich, „lass uns Wahrheit oder Pflicht spielen!“



Nur ein Entwurf, eine spät abendliche oder früh morgendliche Umsetzung einer Idee die meinen Kopf heimgesucht hat.
Da die Wörter so schnell gewirbelt sind, dass ich Kopfweh bekommen hätte, wenn sie nicht freigesetzt worden wären habe ich erst einmal irgendetwas geschrieben und werde das noch irgendwie verfeinern...
Alles Liebe,
Mer-Yan



... comment


endlessrain am 03.Okt 14  |  Permalink
Unglaublich :)
Wundervolle Idee, super Beschreibungen altaaaaaaaa
Richtig schön! Und ehrlich! <3
Lg EndlessRain

ryan tedder am 03.Okt 14  |  Permalink
<3
Du bist süß, aber danke ;D
War grade beim Poetry-Slam, war SOOO geil!
Alles Liebe,
M-Y

blue_rose am 04.Okt 14  |  Permalink
wunderschön <33

ryan tedder am 04.Okt 14  |  Permalink
Danke <3
Wow, bin begeistert, es haben tatsächlich zwei Menschen genug Geduld um sich da durch zu arbeiten... Ich plane auf jeden Fall, die Idee noch auszubauen...
LG, M-Y

blue_rose am 04.Okt 14  |  Permalink
was heißt hier Geduld? Solche tollen Texte MUSS man einfach lesen *_*
Ich würd mich auf die Überarbeitung freuen :)

ryan tedder am 04.Okt 14  |  Permalink
;D Danke *rotwerd*
Ich plane, mich jetzt direkt mit einem Laptop und einem Kaffee in den Park zu setzen und dran zu arbeiten...
Um drin zu bleiben ist das Wetter einfach vieeeel zu schön...
LG, Mer-Yan

blue_rose am 04.Okt 14  |  Permalink
viel Spaß :)

wie wahr -.- ich bekomm meinen Allerwertesten mal wieder nicht hoch^^ Entweder ich treff mich mit jemandem oooooder ich nehm mir an die ein Vorbild und lauf mit der Kamera durch die Stadt :)

ryan tedder am 04.Okt 14  |  Permalink
;D Mach doch Beides:
Eine Freundin schnappen und mit ihr durch die Stadt rennen und Fotos machen... Hab ich grade mit Luce auch gemacht...
LG, M-Y

blue_rose am 05.Okt 14  |  Permalink
ich hab leider keine Freundin, mit der man so "spontan" etwas machen kann- die eine ist zu unflexibel, die andere wohnt zu weit weg, und die dritte ist eher so Schulfreundin^^ Ich hab ganz entspannt ein Buch gelesen- etwas, dass zur Zeit durch die Schule oft zu kurz kommt :)

ryan tedder am 05.Okt 14  |  Permalink
Oh. Ich hab da mehr Glück: Eine von meinen Freundinnen wohnt zwei Minuten (zu Fuß) entfernt, und wenn sie nicht grade von ihrem Freund besetzt wird, hat sie sogar öfter mal Zeit, eine andere wohnt auch nicht weit weg und alle sind mit dem Fahrrad gut zu erreichen...
Luce wohnt auch nah genug dran. ;D
Was hast du so gelesen?
LG, M_Y

blue_rose am 05.Okt 14  |  Permalink
Nun ja, ich bin ganz zufrieden damit. Immerhin baue ich meinen Freundeskreis jedes Jahr etwas aus :)

einen Brunetti- Krimi. Band neun oder so.
Und die Bücher sind wirklich nicht schlechter als der Film- halt mit noch mehr Hintergrund und so. Ich muss zugeben, die Figur des Brunettis finde ich sehr sympathisch- sowohl im Buch, aber besonders auch im Film.

Jetzt in der Praktikumswoche werd ich auch viel lesen: ich fahr zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück. Für morgen nehme ich mal ein englisches Buch von Jojo Moyes mit, allernativ wäre da noch der Fitzek, aber den lese ich dann in den Ferien :)


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